Herzratenvariabilität (HRV): Was ist das und warum sollten wir mehr darüber wissen?
Die HRV-Analyse misst die Zeitintervalle von Herzschlag zu Herzschlag (RR-Intervalle) in Millisekunden. Ein EKG zeichnet den sogenannten QRS-Komplex auf, wobei bei einer Ruhemessung die Zeitintervalle ständig variieren und unterschiedlich sein sollten.
Das Herz wird durch das übergeordnete autonome Nervensystem (ANS) mit Sympathikus und Parasympathikus über das Reizleitungssystem gesteuert. Da innere und äußere Reize in der Regel vom Sympathikus und Parasympathikus registriert und verarbeitet werden, folgen sinnvolle Reaktionen (Regulation), um den Organismus bestmöglich auf aktuelle Bedürfnisse und Situationen vorzubereiten (z.B. akute Gefahr = Energiebereitstellung). Eine dauerhafte Stresssituation führt zwangsläufig zu einer veränderten Erregung des Herzens. Dadurch verändert sich das RR-Intervall, d.h. die Herzfrequenzvariabilität.
Mit einer HRV-Analyse lässt sich feststellen, wie gut oder schlecht das VNS Reize in Ruhe verarbeiten, beantworten und regulieren kann. Und ob die Regulation sehr gut/gut/eingeschränkt/sehr eingeschränkt ist oder ob eine Regulationsstarre vorliegt.
Methodik der HRV-Analyse
Die HRV-Analyse misst den Abstand von Herzschlag zu Herzschlag. Grundlage der Messung ist die Aufzeichnung eines technisch einwandfreien Elektrokardiogramms, bei dem die Intervalle zwischen den einzelnen R-Zacken sauber und störungsfrei aufgezeichnet und verarbeitet werden können. Es gibt sogenannte Kurzzeitmessungen von 5 bis 10 Minuten und Langzeitmessungen, die über 24 Stunden aufgezeichnet werden. Die wissenschaftlichen Standards für die HRV-Messung und -Auswertung wurden 1996 von einer Expertenkommission genau definiert und sind heute die Grundlage dafür, dass die HRV-Analyse als Basisdiagnostik in die evidenzbasierten nationalen Versorgungsleitlinien aufgenommen wurde. Die Abfolge der Intervalle kann mit verschiedenen mathematisch-statistischen Methoden ausgewertet werden.
Dabei wird unterschieden zwischen:
- Zeitbereichsparameter (time-domain)
- Frequenzbasierte Parameter (frequenz-domain)
- Nicht-lineare Parameter, z. B. DFA – alpha1
HRV-Analyse: evidenzbasierte Diagnostik
- Seit Juli 2011 ist die HRV/VNS Analyse Bestandteil im Curriculum Spezielle Schmerztherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover
- Seit August 2011 aufgenommen in die evidenzbasierten nationalen Versorgungsleitlinien als Basisdiagnostik und als weiterführende Diagnostik
- Aufgenommen in die Leitlinien der deutschen Diabetesgesellschaft
- Aufgenommen in den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM)
- Empfehlung vom Berufsverband deutscher Internisten (BDI) vom 19.08.2010
- Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer und des BDI (GOÄ 652)
- Mehr als 17.000 Studien weltweit belegen derzeit den Nutzen der VNS/HRV-Diagnostik für die verschiedensten Fachbereiche und Indikationen
Weitere Meilensteine der HRV-Analyse
- 1891: Müller zeigt bei Herzkranken geringeren Anstieg der HF auf Atropin
- 1927: Winterberg und Wenkelbach beschreiben die respiratorische Sinusarrhythmie
- 1965: Hon und Lee beschreiben Veränderungen der RR-Intervalle beim „fetal distress“
- 1972: Hinkel et al. zeigen erhöhtes Herztodrisiko bei reduzierter respiratorischer Sinusarrhythmie
- 1978: Wolf et al. beschreiben Zusammenhang zwischen HRV und Infarktmortalität
- 1981: Akselrod et al. 1981: „Die Spektralanalyse der HRV ist bedeutsam als nichtinvasive, quantitative Kenngröße der Funktionalität kardiovaskulärer Regelkreise
- 1990: Die HRV-Analyse findet Eingang in die klinische Kardiologie und Diabetologie
- 2000: Die HRV wird Bestandteil der Risikostratifikation für den plötzlichen Herztod
- 2010: Die HRV Analyse wird in das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien im Bereich Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter aufgenommen
- 2011: Die HRV Analyse wird in das Curriculum spezielle Schmerzmedizin und Psychosomatik der MHH aufgenommen
Dr. Johann Diederich Hahn-Godeffroy: „Das Vegetativum, die Balance aus Anspannung und Entspannung, harmonisch in der Waage zu halten, bedeutet: Lebenskunst.“
Scientific basis of heart rate variability HRV
In order to avoid misinterpretation of the various HRV parameters, guidelines were laid down in 1996 for the performance and interpretation of HRV analyses (HRV measurements) by the:
- Task Force of the European Society of Cardiology
- North American Society of Pacing and Electrophysiology Task Force of the European Society of Cardiology and North American Society of Pacing and Electrophysiology: Heart rate variability. Standards of measurement, physiologic interpretation, and clinical use. Circulation 1996; 93:1043-106
Grafische Auswertung und Darstellung der HRV-Hauptparameter
Grundlagen der HRV-Analyse ist die Detektion von 520 oder 260 (Kurzmessung) technisch einwandfreien RR-Intervallen durch einen Brustgurt mit einer Messauflösung von 1 ms und deren anschließender Auswertung. Die Übertragung der Daten vom Brustgurt zum Empfänger erfolgt digital per Funk nach standardisiertem Bluetooth-Protokoll. Die anschließende grafische Darstellung und Berechnung der HRV Hauptparameter übernimmt die Software.
Es werden keinerlei Daten an externe Server zur Berechnung gesendet. Die Berechnungen finden lokal auf dem jeweiligen Endgerät (Smartphone / iPad) statt. Die HRV-Analyse wurde optimiert für den täglichen Einsatz bei normalen Usern/Endkunden. Für Ärzte und Therapeuten gibt es eine spezielle Profiversion der Firma Commit GmbH (www.vnsanalyse.de). Eine zeitaufwändige nachträgliche Messdaten-Fehleranalyse und manuelle Fehlerkorrektur (dies ist häufig bei kabelgebundenen Systemen mit EKG-Elektroden der Fall), ist nicht notwendig, da dies während der Messung „just in time“ automatisch passiert.
Bei der HRV-Analyse werden die drei wichtigsten Parameter Herzfrequenz, SI (Stressindex) und RI (Ruheindex, parasympathische Aktivität) berechnet und grafisch dargestellt
Messparameter für die HRV-Analyse:
- RR: Abstand zweier Herzschläge (R-Zacken im QRS-Komplex/EKG). Die Abkürzung RR kann im Deutschen zu Missverständnissen führen, da damit auch der Blutdruck gemeint sein kann
- NN: Abstand zweier Herzschläge (normal to normal)
- SDNN: Standardabweichung aller NN-Intervalle
- SDANN: Standardabweichung des Mittelwertes der NN-Intervalle in allen Fünf-Minuten der gesamten Aufzeichnung
- SDANN-i: Standardabweichung des mittleren normalen NN-Intervalls für alle Fünf-Minuten-Abschnitte bei einer Aufzeichnung von 24 Stunden
- SI: Stressindex, spiegelt die sympathische Aktivität wider
- RI: Quadratwurzel des quadratischen Mittelwertes der Summe aller Differenzen zwischen benachbarten NN-Intervallen (höhere Werte weisen auf vermehrte parasympathische Aktivität hin)
- pNN50: Prozentsatz der Intervalle mit mindestens 50 ms Abweichung vom vorausgehenden Intervall (höhere Werte weisen auf vermehrte parasympathische Aktivität hin)
- SDSD: Standardabweichung der Differenzen zwischen benachbarten NN-Intervallen
- NN50: Anzahl der Paare benachbarter NN-Intervalle, die mehr als 50 ms voneinander in der gesamten Aufzeichnung abweichen